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Berlin | 11.05.2023

2022 erneuter Anstieg bei Zahl der Drogentoten

Blienert: „Das Thema Sucht gehört auch in den Ländern endlich in die politischen Chefetagen!“

Die Zahl der Drogentoten ist 2022 weiter angestiegen: 1.990 Menschen sind an den Folgen ihres Missbrauchs illegaler Drogen gestorben. Das sind fast neun Prozent mehr als im Vorjahr. Wie in den vorherigen Jahren sind Heroin und Langzeitfolgen des Drogenkonsums die Haupttodesursachen. Der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen Burkhard Blienert nennt die Zahlen „schockierend und alarmierend. Sie bestärken mich in meinen Forderungen, dass wir in der Drogenpolitik einen Paradigmenwechsel vollziehen müssen. Sucht ist eine Krankheit, kein Stigma. Suchtkranke Menschen dürfen nicht länger ausgegrenzt werden. Deshalb müssen wir über Drogenkonsum, über eine bessere Suchthilfe und mehr Prävention sprechen. Drogenkonsum darf kein Gesprächstabu bleiben. Wir brauchen mehr niedrigschwellige Hilfen, die schneller und direkter bei den Menschen ankommen.“ Für den Drogenbeauftragten seien die Gründe für den Anstieg vielfältig.

Die Zahlen sind in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich gestiegen. 2012 waren es noch 944 Menschen, die an den Folgen ihres Konsums illegaler Substanzen gestorben sind, jetzt sind es 1.990. Die Aussagekraft der Daten sei allerdings begrenzt und fehleranfällig. Das liege an unterschiedlichen Erfassungsmethoden in den Ländern. Das erschwert eine wissenschaftliche Aussage. Trotz allem bleibt in der Statistik ersichtlich: Haupttodesursachen waren erneut der Missbrauch von Opioiden (1.194) – davon 749 mit Heroin und Morphin. Auch die Langzeitfolgen (663) des Drogenkonsums sind vielfach todesursächlich. Gestiegen sind die Zahlen im Vergleich zu 2021 etwa bei polyvalenten Vergiftungen in Verbindung mit Kokain und Crack von 417 zu 291, mit Amphetamin von 313 zu 233 und bei Vergiftungen in Verbindung mit psychoaktiven Medikamenten von 482 zu 335.

Von den wesentlichen gesundheitlichen Auswirkungen einer Suchterkrankung sind häufig auch Familienmitglieder und Freunde betroffen. Darum gehe es um das Motto: Je schneller die Sucht behandelt wird, desto besser. Hier stehe „auch die Politik in Bund und den Ländern in der Pflicht, um zu helfen“, kommentiert Burkhard Blienert. Es brauche die richtigen Ansprechpartner sowie ein flächendeckendes Suchthilfe- und Präventionsnetz. Es brauche eine bessere Begleitung für Eltern, Partner und Kinder von suchtkranken Menschen. Es brauche einen früheren Einstieg in die medizinische und psychosoziale Behandlung. „Vom Drogenkonsumraum über die Substitution bis zur Schlafstätte für obdachlose Abhängige – all das sind bewährte Maßnahmen gegen den Missbrauch illegaler Drogen, weil das der erste Schritt in den Ausstieg sein kann. Um eine flächendeckende Substitutionsversorgung sicherzustellen, müssen aber mehr Ärztinnen und Ärzte diese Behandlung anbieten.“

Für all das brauche es insbesondere Partner auf regionaler und Länderebene sowie niedrigschwellige Projekte, die Menschen mit Suchtproblemen erreichen. „Darum erwarte ich, dass endlich alle an einem Strang ziehen und man in den Bundesländern auch der politischen Verantwortung nachkommt! Wir brauchen politisch Verantwortliche mit politischem Rückhalt. Das Thema Sucht gehört in den Ministerien und Senaten der Länder auf die Chefebene. Außerdem müssen Einsparungen bei der Suchtberatung und Anlaufstellen ein absolutes Tabu werden. Wirklich helfen werden nur mehr Initiativen, mehr Behandlungen, die direkt und schnell ankommen, die niedrigschwellig sind. Gut ist, dass sich die Bundesregierung hierbei verschiedener Themen annimmt, wie etwa die rechtlichen Hürden beim Drug-Checking zu beseitigen.“

Wie in den Vorjahren wurden die meisten Drogentoten in Nordrhein-Westfalen (703 Tote), Bayern (277 Tote) und Berlin (230 Tote) erfasst. Einen Anstieg der Drogentoten gab es im Saarland (+ 53,6 %) und Niedersachsen
(+ 36 %). Deutlich gesunken ist die Zahl der Rauschgifttoten in Mecklenburg-Vorpommern (11 Tote, - 45 %). Unter den Drogentoten waren 1.648 Männer (83 %) und 342 Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei
40,6 Jahren. Bei 33 % der Rauschgifttoten wurden Langzeitschäden festgestellt, die auf Rauschgiftkonsum zurückzuführen sind. Von den 1990 erfassten Rauschgifttoten wurden lediglich 1.056 obduziert bzw. 783 toxikologische Gutachten erstellt.

Downloads: Rauschgift-Todesfälle 2022 und Rauschgift-Tote nach Bundesländern